Sonntag, 28. November 2010

Einführung

Die hier zusammengestellten Texte sind nicht fürs Internet geschrieben.
Sie sind zum einen im Zusammenhang mit der Arbeit in der Stadtentwicklungsplanung in Leverkusen und in der Kulturpolitischen Gesellschaft sowie im Verband Deutscher Städtestatistiker und zum anderen bei der ehrenamtlichen Arbeit in der Evangelischen Kirchengemeinde Leverkusen-Manfort entstanden.

Sie haben ihren Wert als Zeitzeugnisse aus einer zum Teil über 30 Jahre zurückliegenden Vergangenheit, sind aber zum Teil heute noch aktuell.

Die Evaluierung der Kulturarbeit wurde im März 1995 für einen Sammelband geschrieben. Doch an zwei ihrer Thesen lässt sich erkennen, dass sie auch heute noch nicht überholt ist:
Nicht technische, ökonomische oder ökologische Themen entscheiden über die Zukunft, sondern die Antwort auf die Frage, ob es dem Menschen gelingt mit sich selbst, mit seinesgleichen und mit der Umwelt so umzugehen, daß er überlebt.

Angesichts der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, der Kriegsherde in Afrika und Nahost und anderswo, der Gewalt- und Terroraktionen überall auf der Welt von Afghanistan, Irak, Israel, Gaza-Streifen bis hin zu Amerika – vgl. Guantanamo – ist es entscheidend wichtig, sich zu besinnen, dass die ökologischen Probleme wie Erderwärmung und Wasserknappheit noch weit mehr Gefahren und Konfliktpotential enthalten als die im Bankenwesen heraufbeschworenen Fehlsteuerungen im Wirtschaftsbereich.

Zum Begriff der Identität:
Es gehört dazu die Erkenntnis, daß ohne die Vergangenheit die Gegenwart ohne Aussagekraft bleibt und die Zukunft ohne Ziel. Niemand wird ein mündiger Bürger, ein verständnisvoller Nachbar und ein opferbereiter Sozialpartner sein, wenn ihm die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht als ein Gemeinsames bewußt sind. Das gilt für den einzelnen wie für die gesellschaftlichen, nationalen und ethnischen Gruppen gleichermaßen.

Heute sehen wir ganz deutlich, wie Gewerkschaften, politische Parteien, Kirchen und die meisten gesellschaftlichen Gruppen nach ihrer Identität im 21. Jahrhundert suchen.
In der Politik gestaltet es sich am dramatischsten: Der Wechsel von Edmund Stoiber zu Horst Seehofer als bayrischer Ministerpräsident und Vorsitzender der CSU und wichtiger noch in den USA der Wechsel von George Walker Bush zu Barack Hussein Obama zeigen eine Identitätssuche und den Versuch einer Neubestimmung an.

Zugang und Einstieg in den umfangreichen Text werden durch ein Thesenpapier erleichtert, außerdem gibt es eine Kurzfassung, die gesondert erschien. ("Kultur und Bildung - Wege zur Neubewertung aus der Sicht der Stadtentwicklungsplanung" in Max Fuchs/Christiane Liebald "Wozu Kulturarbeit?", Remscheid, 1995, ISBN 3-924407-37-1, S. 154 - 158).

Nun zum Tagungsrückblick auf die 6. Konferenz des Arbeitskreises Kulturstatistik am 18.03.1992 beim Deutschen Städtetag in Köln. Dort heißt es u.a.:
Nicht nur dem einzelnen fällt es immer schwerer, sich mit seiner Lebenswelt abzufinden, sie als eigene zu akzeptieren, d.h. eigenständige Antworten auf die Fragen Wer bin ich? und zwar woher komme ich? wo stehe ich? und wohin gehe ich?
Auch gesellschaftliche Gruppen, Staaten und Nationen haben an diesem Punkt zunehmend Schwierigkeiten. Auf der Tagung klang an, daß die Identitätsarbeit in Deutschland heute die Selbstfindungsprozesse sowohl in Osteuropa morgen als auch im freien "Europa der 12" in den kommenden Jahren fördern und erleichtern könnte.

Man kann dabei an Frau Merkel - heute Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, vor zwanzig Jahren Bürgerin der DDR - denken. Und an die stets wachsenden Probleme der Europäischen Union bei den laufenden Erweiterungsschritten und bei dem Versuch, sich als weltpolitischer Partner einer kooperationsbereiteren USA zu positionieren. (Inzwischen ist auch ein Referat Von der Legitimitätsstatistik zur Strukturstatistik von 1982 beigefügt.)

"Unsere Kirche - Struktur und Praxis" ist ein Versuch, die Binnenstruktur der Rheinischen Landeskirche für die Gemeinde nachvollziehbar verständlich darzustellen und sie Erfahrungen aus der Praxis gegenüberzustellen. Der Text ist seit 2005 nach und nach in Gemeindebriefen entstanden. Was aber ist hier das Besondere?
Das grundlegende Element ist die Tatsache, daß ein Laie sich einmal auf die Darstellung der wahrhaft komplexen Struktur seiner Kirche einläßt und darüber hinaus, Schwierigkeiten - wenigstens in Auswahl und aus persönlicher Sicht – anspricht. In den beiden jüngsten Artikeln ist etwa das Thema Psychologie in Verhältnis Pfarrer und Gemeindemitglied ("Übertragung") und von Pfarrer und Gemeinde ("Massen-Psychologie") aufgegriffen worden - in einer hoffentlich noch vertretbaren Verkürzung, um für Gemeindemitglieder in ihrer Mehrheit noch verständlich zu sein. Es sind beides Themen, über die niemand offen spricht, die aber manchem Gemeindemitglied den Weg zum Verständnis für andere eröffnen können, einen Weg, der ihm bisher verschlossen war. Auch die manchem engagierten Gemeindemitglied als bedrohlich erscheinende Organisation Kirche erscheint so weniger fremd.

Als nächste Kategorie finden Sie Predigten aus 26 Jahren Predigttätigkeit in meiner Heimatgemeinde - und als Gastprediger im Kirchenkreis Leverkusen. Eine spontane Äußerung zu dem Plan, meine Predigten ins Netz zu stellen: "Helmut Böhme: Predigten ins Internet? - Da gehören ganz andere hin!" - Recht hat diese Auffassung! Theologischen Tiefgang, sprachliche Brillanz und neue weiterführende Gedanken oder gar Handlungsansätze bieten meine Predigten nicht. Sie sind - wie jede Predigt - der ernsthafte Versuch, mit menschlich unzulänglichen Mitteln "das Wort Gottes in unsere Zeit hinein zu sagen", wie eine Formel zu diesem Thema lautet. Wenn sie sich aber nicht von anderen unterscheiden, weshalb stehen jetzt so viele von ihnen im Netz? Es geht natürlich auch hier um die Stellung des Christen in der Welt und nach der Heilsbotschaft Christi in einer unheilen Welt. Das unterscheidet sie nicht von anderen. Ein besonderes Merkmal ist die Kontinuität über den langen Zeitraum. Für mich war verblüffend, was in diesem langjährigen Vergleich thematisch festzustellen ist.
Hier einige Beispiele:
Am 30. Juni 1976 stirbt die 23-jährige Studentin der Pädagogik und Theologie Anneliese Michel in Klingenberg bei Aschaffenburg. Als Epileptikerin fand sie keine Heilung. Die frommen Eltern ziehen Priester hinzu. Mit Genehmigung des Bischofs beginnt eine Teufelsaustreibung. Nach dem Tod stellen Schulmediziner fest, daß Frau Michel verdurstet und verhungert ist. Die Teufelsaustreiber melden den erfolgreichen Abschluß ihrer Aktion: Mindestens zwei Teufel sind ausgetrieben, einer habe den Namen Nero getragen.
(Predigt vom 01.05.1977).
In Februar 2002 erklärt der überzeugte evangelische Christ George Walker Bush (jun.) der "Achse des Bösen" den Krieg und er nennt auch die Staaten, die dazu gehören - während seiner zweiten Amtszeit scheint diese Achse ganz so böse nicht zu sein (Predigt 10.02.2002).
Im Januar 1991 läuft das Ultimatum des USA-Präsidenten George Bush (sen.) gegenüber Saddam Hussein, dem Präsidenten des Irak ab. Man muß mit Krieg rechnen. Drei Tage zuvor eine Predigt über Jesu Taufe (Matth. 3,13-17) mit Taufe im Gottesdienst:

Selten war es den Menschen auf dieser Erde so bewußt wie heute, an diesem ersten Sonntag nach dem Epiphaniasfest im Jahre 1991, daß wir alle in Gottes Hand stehen und immer wieder seine Liebe zu uns verraten - ob wir das wollen oder nicht.
(Predigt 13.01.1991). Mit dieser Predigt steht auch die am 24.03.1991 in Zusammenhang.
Am 11.September 2001 haben fanatische Terroristen drei Linienmaschinen privater Fluglinien in ihre Gewalt gebracht und sind gezielt gegen» die Türme des World Trade Center in New York geflogen. Sie brachten beide Türme zum Einsturz und lösten unterschiedliche, weitreichende Kettenreaktion aus.
Wir warten auf das, was kommt: Die Reaktion der USA. ... Terroristen isolieren sich und ihre Gesellschaft. Sie sind Auserwählte ihres Gottes - nur sie. Es wäre gewiß sinnvoll und hilfreich, wenn christliche Kirchen sich ein eigenes Leitbild gäben. Ihres ist viel komplizierter - und wohl auch tragfähiger. Ihre Triebfeder, die Liebe, ist deshalb auch stärker als der Haß der Terroristen, weil sie alle Menschen umfaßt und die lebensbejahenden Kräfte stärkt
(Predigt vom 23.09.2001).
Aber nicht nur hohe Politik, auch konkrete örtliche Fragen sind grundsätzlicher Art. Die Kirche einer Nachbargemeinde soll verkauft werden. Noch ist keine Entscheidung gefallen. Die Zeitung fragt in der Woche vor dem 4. Advent, ob die Glocken das letzte Mal zur Weihnacht läuten.
Nicht nur zur Versammlung ruft die Glocke, sondern auch zur Sammlung. ... wissen wir, wieviele Menschen beim Klang der Glocken still werden? ... Der Klang der Glocken ist nicht nur ein Aufruf und ein Anruf, er ist auch ein Zeugnis. .... Advent 1983 - wird es der letzte Advent in der Pauluskirche sein? Wir wissen es wohl nicht. Es ist gewiß gut, dieses Haus Gottes und seine Bedeutung für die Menschen ... sorgfältig zu prüfen - auch das, was als Alternative für andere mögliche Nutzungen erwogen wird. ... Dennoch sollten wir daran denken, daß unsere Häuser und Türme vergänglich sind und äußere Form bleiben. Ihren Sinn und Inhalt gewinnen sie erst durch das, was in ihnen und mit ihnen geschieht.
(Predigt vom 18.12.1983).
Ich hoffe, es ist deutlich geworden, daß die "alten“ Predigten auch nach mehr als 20 Jahren immer noch aktuelle Themen berühren. Inzwischen sind z. B. in Leverkusen eine evangelische und eine katholische Kirche verkauft. Ob andere zum Verkauf oder zur Nutzungsänderung anstehen, ist mir nicht bekannt - aber nicht ausgeschlossen.

In unserer Kirchengemeinde mit einer Pfarrstelle hat es einige Jahre Predigtreihen gegeben, in denen der Pfarrer, zwei Predigthelfer und ein Lektor vier Sonntage in Folge zu einem übergreifenden Thema gepredigt haben, hier: Predigten am 31.03.1996 und 23.09.2001.

Besonders wichtig waren mir die ökumenischen Wochen, in denen wechselweise in der evangelischen Johanneskirchengemeinde und in der katholischen Kirchengemeinde St. Joseph Bibelwochen gehalten wurden. Zum Abschluß der Woche wurde jeweils in der anderen Kirche ein Abschlußgottesdienst gehalten. Ich hatte Gelegenheit, in der katholischen St. Joseph-Kirche diese Gottesdienste zu halten am 26.01.1996, 21.09.1997 und am 15.03.2002. Der Tod des katholischen Pfarrers und die seither noch verstärkt einsetzende Umstrukturierung und Konzentration in der katholischen Kirche hat eine Fortsetzung dieser Praxis in der bisherigen Form nicht mehr möglich gemacht.

Als letztes möchte ich noch die Leserbriefe erwähnen, die direkt im Anschluss an diese Einführung stehen. Sie berühren Themen, die mir auch wichtig sind, die sich aber in den umfangreicheren Texten nicht so prononciert niedergeschlagen haben: Verantwortung des hauptamtlichen Bürgermeisters, Automobilindustrie, "Gewinn" oder "Ehre"?, Atomkraft.

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