Mittwoch, 18. März 2009

"Gewinn" oder "Ehre"?

Leserbrief an den Kölner Stadt-Anzeiger betreffend Fernsehpreise (in den Nummern 239 und 240 2008)

Bei der Lektüre der heutigen Ausgabe Ihrer Zeitung ist mir aufgefallen, daß ein grundlegendes Mißverständnis weit verbreitet ist. Das erste Mal fiel mir dies Mißverständnis auf als ich las oder hörte, ein Preisträger habe den Nobelpreis "gewonnen". Heute lese ich auf der Leserbriefseite von den "Gewinnern" der Fernsehpreise.
Nach herkömmlichen Verständnis werden in diesen Fällen die Preisträger wegen ihrer Leistung "geehrt". - Das wird deutlich am Beispiel Reich-Ranickis. Er hat sich an keinem Preisausschreiben beteiligt, an keinem sportlichen oder sonstigen Wettbewerb beteiligt, sondern "seine Lebensleistung" ist vor dem Hintergrund seiner Biographie und der Zeit, in der er lebte, einmalig.
So, wie die "Preise" heute verliehen werden, kann man durchaus den Eindruck gewinnen, es fände eine Preisverleihung am Schluß eines Wettbewerbs statt - nicht nur unter den "Bewerbern" als Person, sondern auch unter den Fernsehanstalten und vielleicht auch noch unter anderen Institutionen im Hintergrund, die der Zuschauer nicht kennt.
Seit 1945 bin ich mit dem Begriff "Ehre" - auch mit dem heute wieder aufkommenden Begriff "Helden" - sehr zurückhaltend. Ich halte es lieber mit der "Würdigung" einer herausragenden Leistung, einer "Lebensleistung“ oder einer Persönlichkeit.
In diesem Sinne kann sich Herr Reich-Ranicki durchaus auf der falschen Veranstaltung gesehen haben.
Ihr Blatt hat meines Erachtens nicht die Verwechslung von Gewinn und Ehre vorgenommen. Es stünde ihm aber gut an, die Konsequenzen dieser Begriffsverwirrung mit ihren kulturellen Folgen kritisch zu begleiten.
(14. Oktober 2008)

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